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Für dicke Fische braucht man keine feinen Netze.

OK, das mit den dicken Fischen ist jetzt etwas erklärungsbedürftig. Ich hole mal ein klein wenig aus, man möge mir verzeihen. Es läuft so: Jemand klopft bei Eurem Xing-, LinkedIn- oder sonstwelchem Account an und möchte sich vernetzen. Ihr denkt: „Oh, super, kann ja nicht schaden“. Klick. Und Bamm – schon bekommt ihr irgendwelchen Kram angeboten. Postwendend.

 

Das Spektrum des Gebotenen ist breit. Geld anlegen bei einer Walfischzucht in Riad, todsicherer Tipp natürlich. Ein garantiert kostenloser Zoom-call zum Gedankenaustausch mit angeflanschtem Geschäftsanbahnungsversuch mit jemandem, von dem ihr bis dahin noch nicht wusstet, dass er Gedanken hat, geschweige denn, dass es ihn überhaupt gibt. Sensationell günstige Ersatzteile für Maschinen, deren Zweck ihr auch nach mehrmaligem Aufrufen einschlägiger Webseiten nicht einmal im Ansatz erfassen könnt. Rohstoffe aus Sibirien für eine rätselhafte Industrie, von der vielleicht euer Großonkel mal gehört hat, von dem ihr wisst, dass er da im vergangenen Jahrhundert mal in Kriegsgefangenschaft war. 

 

Und natürlich grell-dezente Gesprächsaufforderungen von Personen, die offensichtlich so verarmt sind, dass sie ihren Körper nicht einmal vollständig mit Textilien bedecken können. Und dann für den Rest der Fläche ausgerechnet zu solchen in Leuchtstift-Alarmfarben greifen. Und: Seminare! Seminare von Persönlichkeits-Coaches, die vorgeben, euer Business aufbohren, die Zahl eurer Kunden verzehnfachen oder die lästige Kaltakquise in ein unvergessliches Abenteuer vergleichbar einem Bad in handwarmer Eselsmilch verwandeln zu können. 

 

Natürlich alles in zwei Wochen, wenn man nur drei, fünf oder sieben Punkte berücksichtigt, deren Kenntnis offenbar Herrschaftswissen dieser Personen ist – obwohl ihr natürlich wisst, dass sie es in einem dieser zahllosen Business-Ratgeber abgeschrieben haben.

 

Mal abgesehen davon, dass es seltsam ist, dass es immer drei, fünf oder sieben Punkte sind – egal, ob man seine Skills als Neurochirurg mit Schwerpunkt Amygdala-Resektion verbessern oder endlich Profi-Flaschensammler werden möchte: Irgendwann nervt das.

 

Ich gebe zu: Neulich bin ich da auch mal ungehalten geworden. Obwohl ich sonst eher der Buddha-Typ bin. Ich meine: Ist es zu viel verlangt, dass man erst einmal einen sonnigen Tag wünscht, sich vielleicht erkundigt, was man denn so macht und wie es einem geht – und sich dann womöglich irgendwann vorsichtig informiert, ob man tatsächlich Lust (und Geld) haben könnte, eine Immobilie in der Zentralantarktis zu kaufen?

 

Allzu forsche Leute, die den Kontakt-Button mit einer Leimrute verwechseln, fliegen mittlerweile umgehend aus meinem Netzwerk raus.

 

Soweit wohl OK. Das Problem: Soll ich nun wirklich bei allen neuen Kontaktanfragen schauen, ob ich wirklich wenigstens irgendeine, wenn auch atomkleine Verbindung zu den angegebenen Professionen des Interessenten habe – und dann im Zweifel auf „Ignorieren“ klicken?

 

Faustregel: Um große Fische zu fangen, braucht man keine Netze mit 10.000 Knoten. Da reichen im Prinzip auch ein paar wenige. So lange die dann halten. Anders ausgedrückt: Ich muss nicht mit Thilo, dem Flip-Flop-Großhändler aus Pusemuckel verknüpft sein, um für Leute, gar Entscheider, aus meiner Zielgruppe sichtbar zu werden. 

 

Oder? 

 

Andererseits: Natürlich vergibt man sich Chancen, wenn man Leute nur auf Verdacht oder auf Grund ihres Jobs ausschließt. Wer eine Kneipe hat, tut ja durchaus gut daran, auch Leute mit Hawaiihemden reinzulassen, selbst wenn er Geschmack hat – vielleicht sind es trotzdem nette Menschen. Soll tatsächlich schon öfter vorgekommen sein. 

 

Als Schriftsteller bin ich ohnehin gewohnt, dass sich Leute für einen interessieren, von denen man noch nie gehört hat. Das ist ja Sinn der Sache. Und natürlich habe ich schon von der Weisheit vieler Leute profitiert, von denen ich das niemals erwartet hätte.

 

Damit Ihr mich nicht falsch versteht: Wenn Euch dieser Post gefällt und ihr mir (erstmal) nichts verticken wollt, freue ich mich natürlich über eine Vernetzung. So wie zum Beispiel bei @Kai Gausmann (zu finden bei LinkedIn). Der macht es richtig: Netter Dialog, und nachdem ich gemerkt habe, der Mann hat spannende Gedanken, habe ich ihn sogar um einen Zoom-Gedankenaustausch gebeten. Vielleicht wird sogar was draus.

 

Aber macht aus LinkedIn & Co. keinen Basar.

 

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